Texte zu meiner Kunst

Unsere Wahrnehmungen betreffen nur Abbilder und Schatten.
Platon
In ihrer Malerei fokussiert sich Judith Bokodi einerseits auf Menschen und ihre psychische Ausstrahlung, andererseits auf Szenerien, in denen menschliche Figuren als integrierte Bestandteile aufgehen. Szenische Fetzen fügt sie gleichwohl zu einer Gesamtheit und hält diese in Öl auf Leinwand fest.
Porträts derselben Person in mehreren Posen spalten die wahrgenommene Ausstrahlung der Person wie durch die Facetten eines geschliffenen Diamanten und lassen damit Risse im Kontinuum zwischen den verschiedenen Persönlichkeitsrealitäten erahnen. Im Triptychon wird indessen die Realität desselben Individuums in ganz unterschiedlich gebrochenen Momentaufnahmen eingefangen. Mit nahezu chirurgischen Pinselstrichen und Farbschattierungen werden so psychische Momente freigelegt, die die Vielfalt der menschlichen Verfasstheit herauspreparieren.
Umgekehrt verhält es sich mit idyllisch-verstörenden Bildern monochromer Harmonie, in denen leuchtend hervorstechende Schutzschirme vor einer gleißenden Sonne Schatten spenden. Eine sonnengeladene Lebensenergie schreit frischen Lebenswillen und Lebensfreude hinaus, im Widerstand gegen die blutleere Harmonie. Hier steht die situative Darstellung im Brennpunkt. Beunruhigende Ruhe einer befremdlich unterkühlten Welt.
Oder aus Zeit und Raum gefallene Posen auf Leitern, ohne physischen Halt in Raum und Zeit, mit situationslogischen Helmen am einen Ende der Körper und völlig deplatzierten modischen High Heels am anderen – Gegenpole im selben gewichtlosen Körper, in schwerelosem Raum – als dystopisch- illusionistischer Symbolismus.
Prof. Dr. Harald Müllich
Hochschule München
April 2023

Die Bilder der in Ungarn geborenen Künstlerin atmen in ihren außergewöhnlichen Grau- und Pastelltönen das längst vergangene Flair der vereinigten Staaten der 40-er Jahre. Es gelingt Bokodi, die Alltagsmotive wie Szenen aus amerikanischen Filmen wirken zu lassen: das Auto im Vordergrund, dahinter ein Flachbau, einige Menschen und ansonsten Leere. Spannend ist, wie die Künstlerin die Gemälde inszeniert. Sie zoomt den Kotflügel eines Straßenkreuzers so nah heran, bis es das Bild dominiert und die Menschen zum Beiwerk geraten lässt (Restaurant 2). Auch in Car Wash nimmt das hintere Ende eines historischen Fahrzeugs viel Raum ein. Dabei malt die Künstlerin die Spiegelungen von Lack und Chromteilen so detailliert, dass sie zum Greifen nah erscheinen. Auf beachtliche Weise rückt sie damit das Auto als Fetisch in den Lebensmittelpunkt der Menschen, die stattdessen in den Hintergrund treten.
Digital bearbeitete Fotos, die als Vorlage und Inspirationsquelle dienen, werden von Bokodi während der Umsetzung in die Malerei weiter abstrahiert. Sie vereinfacht Formen, betont Schattenwürfe und Konturen und eliminiert Anzeichen von Natur, wie Himmel oder Pflanzen. Wirkungsvoll auf das technische reduziert und ohne Verwerfungen erscheint diese Welt künstlich, sauber, einfach und dennoch irgendwie unbeschwert. Die strenge Farbwahl unterstreicht diesen Eindruck.
Auch bei den ausdrucksstarken Porträtbildern bleibt der Hintergrund stets neutral, was wiederum die Gesten der Figuren stärker betont. Wie im plötzlichen Anhalten einer Filmsequenz erscheint bei Sunset das schützende Anheben der Hand vor die Augen. Bokodi setzt das Brustbild des jungen Mannes vor blendendem Weiß und modelliert die Figur durch Grauabstufungen gekonnt und zugleich spielerisch leicht. Durch ihre beeindruckende Klarheit verdichtet die Künstlerin Beiläufiges virtuos zu einem überzeugenden und starken Bildeindruck.
Dr. Iris Gardill
Kunsthistorikerin
In: Internationale Kunst Heute, 2018

Malerin Judith Bokodi. Reisemomente in Öl
Vom Design zur freien Kunst: Nach einer Karriere in der Modebranche arbeitet Judith Bokodi heute als freie Künstlerin – und empfindet das auch als Luxus. In ihrem Atelier in einer alten Kunstgießerei entstehen Ölbilder, die Menschen in Übergangssituationen zeigen. Und auch Autos zählen zum Sujet der LMU-Absolventin.
Die Siebzigerjahre-Limousine in Weinrot parkt vor einer Werkstatt; in ihrer glänzenden Karosserie spiegelt sich ein anderer Wagen. Die Szene stammt von einer Amerika-Reise: Judith Bokodi hatte den Oldtimer irgendwo an der Ostküste fotografiert; jetzt schafft er es auf ihr jüngstes Ölgemälde. „Ich verwende Fotos als Vorlage“, erklärt sie. „Es sind nur selbst geschossene. So zeigt das Gemälde wirklich meinen eigenen Blick.“
LMU-Absolventin Judith Bokodi arbeitet als freie Künstlerin und Kunstvermittlerin. In den lichten Räumen einer ehemaligen Kunstgießerei malt sie helle, großformatige Bilder mit klar abgegrenzten Farbflächen, die den Realismus des Fotos erahnen lassen und dennoch wie eine Illusion wirken. Ihre Motive kreisen um das „Unterwegs sein“. „Reise, Transit – viele meiner Bilder zeigen Übergangsbereiche“, sagt die 49-Jährige. „Es sind Bahnhöfe zu sehen, Häfen, Straßenbahnen, aber eben auch Autos. Wenn man unterwegs ist, wird einem vieles klarer, man kommt weg aus seinem eigenen engen Vorstellungskreis.“ So fasziniere sie die „anonyme Gemeinsamkeit“ auf einer Fähre. „Der Reisende verbringt eine gewisse Zeit mit völlig Unbekannten auf recht engem Raum. Das hat etwas Fließendes.“
Ihre Werke gründen auf Vorzeichnungen und einer anvisierten „Farbstraße“. „Trotzdem ist jedes Bild wieder ein Abenteuer.“ Mal funktionierten die Farben nicht miteinander; mal störe ein Gegenstand im Hintergrund. „Aber ohne ihn bleibt eine freie Fläche, die es zu gestalten gilt… Irgendwann kommt man vom Foto weg, und das Bild entwickelt seine eigene Logik.“ Vor einigen Jahren kam sie von der Acrylmalerei zum Öl. „Es ist eine schönere, eine sinnlichere Malerei, aber auch die größere Herausforderung“.
[…]
Ausschnitt aus Gespräch mit Anja Burkel für das Münchner Unimagazin MUM 4/2018